Geschrieben von: Lars Molzberger

Um was geht es?  Güterladestelle Rosenthal Nord - der "Landbahnhof" - Nordend präferiert für den Bunkerbau

Was sagt das Beitragseinleitungsfoto aus? Von der Güterladestelle Rosenthal Nord gibt es leider keine Fotos. Zur Visualisierung dient ein Luftbild von 1953. 

© Geoportal Berlin/Luftbilder 1953 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0

 

Rosenthal Nord – Güterladestelle mitten auf dem Land

Die 1907 in Betrieb genommene Güterladestelle Rosenthal Nord war ein Spiegel des Bahnhofs Lübars. Der Lübarser Güterschuppen, die Ladestraße und das Überholungs- und Ladegleis waren nördlich des durchgehenden Gleises angeordnet, in Rosenthal Nord war es genau andersrum.

Rosenthal Nord Güterladestelle 1911. Archiv Lars MolzbergerRosenthal Nord Güterladestelle 1911. Archiv Lars Molzberger

Sein Namenszusatz „Nord“ diente der Unterscheidung des Bahnhofs Rosenthal der Reinickendorf-Liebenwalder-Groß Schönebecker Eisenbahn AG (im Volksmund „Heidekrautbahn“ genannt). Die Umgebung der Güterladestelle war ländlich geprägt. Sie war umgeben von Rieselfeldern. Industrie hat sich hier nie angesiedelt. Dadurch wurden hier ähnlich wie in Lübars hauptsächlich Futtermittel, Dünger, Kohlen, Brennholz und Baumaterialien umgeschlagen. Die Zufahrt zur Güterladestelle erfolgte von der Hauptstraße aus. (seit 4. August 1930 Mönchmühler Straße). Räumlich lag Rosenthal Nord näher zum namensgebenden Ort Rosenthal, aber auch das 1,7 km entfernte Blankenfelde lag nicht zu weit weg.

Rosenthal Nord Situation 1947 mit Rampengleis. Plan Sammlung Sven HannemannRosenthal Nord Situation 1947 mit Rampengleis. Plan Sammlung Sven Hannemann
Auf einen Gleisplan von 1947 ist eine Erweiterung der Güterladestelle zu erkennen. Westlich des Güterschuppens wurde durch den Einbau einer weiteren Weiche ein Rampenladegleis mit der dazugehörigen Laderampe geschaffen. Wann dieser Erweiterung vorgenommen wurde, muss derzeit offenbleiben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ladestelle Rosenthal Nord als einzige im gesamten Netz der ITF nicht mehr bedient.1 Der Grund erschließt sich aus den ausgewerteten Archivalien nicht. Es ist aber möglich, dass sich die Verkehrsströme zum nahe gelegenen Bahnhof Rosenthal der der Reinickendorf-Liebenwalder-Groß Schönebecker Eisenbahn verlagert haben.[1]

1965 wurde die Bedienung des Abschnitts westlich von Buchholz eingestellt und die Infrastruktur beseitigt, wie auf einer Luftaufnahme von 1969 erkennbar ist. Das Gelände ist heute vollständig durch Kleingärten der Kleingartenanlage Einigkeit überbaut.

Güterladestelle Nordend – herausragend im Bunkerbau

Die ebenfalls 1907 in Betrieb gegangene Güterladestelle Nordend lag nur 1,6 km von der Ladestelle Rosenthal entfernt. Sie war wie die Nachbargüterladestelle Rosenthal Nord ländlich geprägt. Anders als Rosenthal Nord hingegen war Nordend die kleinste Ladestelle im Netz der ITF. Nur zwei Gleise, zwei Weichen und eine Ladestraße. Sonst nichts. Über die Blankenfelder Straße konnte die Ladestelle erreicht werden, die nördlich und südlich von Rieselfeldern umgeben war.

 
Die Güterladestelle Nordend 1910. Archiv L. MolzbergerDie Güterladestelle Nordend 1910. Archiv L. Molzberger

 

Nordend und Umgebung in einem Stadtplan Berlin von 1925. Archiv ITF.deNordend und Umgebung in einem Stadtplan Berlin von 1925. Archiv ITF.de

Das änderte sich aber mit dem Zweiten Weltkrieg. Hermann Göring wollte, so die zeitgenössische Darstellung, Meier heißen, wenn auch nur ein feindliches Flugzeug über Deutschland erscheint. Ab dem 8. Juni 1940 hätte er so konsequent sein müssen, seinen Namen zu ändern. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni 1940 warf ein französisches Flugzeug die ersten Bomben auf Berlin ab. Von der Großspurigkeit des Herrn Göring mal abgesehen, war die NS-Führung offensichtlich nicht von der Göringschen Flugabwehr überzeugt und startete ein großangelegtes Bunkerbauprogramm. Damit trat die Ladestelle Nordend sozusagen ins Rampenlicht. Für die Bunkerbauten wurde extra ein Ladegleis in Nordend projektiert und ab dem 15. September 1941 mit dem Bau desselben begonnen.[2] Das Anschlussgleis zweigte auf der östlichen Seite der Ladestelle im km 9,0 vom Ladegleis ab und endete kurz vor der Blankenfelder Straße. Über die Baustoff-Logistik gibt ein Vermerk der NEB vom 21. April 1942 Auskunft:

„Es erscheint Herr Nitsche vom Generalbauinspektor (GBI) für die Reichshauptstadt Berlin - Baugruppe Wilhelmi - und gibt bekannt, daß die Bunkerbauten am Anschlußgleis Wilhelmsruher Damm sowie in Lübars und Nordend weitergeführt werden sollen. Es ist damit zu rechnen, daß ab Ende dieser Woche täglich je ein Kieszug zu fahren ist, der entweder nach Lübars und Nordend oder nach Wilhelmsruher Damm zu leiten ist. Herr Nitsche wollte versuchen, uns einen Schlosser für die Werkstatt sowie 6 Kranarbeiter für Berlin Tegel-Hafen zu beschaffen.

Es wurden folgende Abmachungen getroffen: In Berlin Tegel-Hafen werden wöchentlich 10 Schuten mit Kies ungeschlagen. Der Kies geht wochenweise entweder nach Lübars und Nordend je zur Hälfte täglich oder nach Wilhelmsruher Damm. In Lübars werden die Wagen um 6:40 Uhr, in Nordend um 7:00 Uhr zum Entladen bereitgestellt. Die Wagen müssen dann um 12:00 Uhr leer sein und werden nach Berlin Tegel-Hafen durch die Lok des Bedarfszuges.

Zurückgeschafft; werden am gleichen Tage wieder beladen, so daß sie am nächsten Morgen um 6:20 Uhr wieder von Berlin Tegel-Hafen nach Lübars bezw. Nordend ausgehen können.

Soll die Entladung im Anschlußgleis Wilhelmsruher Damm erfolgen, dann gehen die Kieswagen täglich zwischen 15:00 und 16:00 Uhr von Berlin Tegel-Hafen nach Berlin-Rosenthal, werden abends von der Wilhelmsruher Rangierlok in das Anschlußgleis Wilhelmi gestellt und dort am nächsten Tage bis 11:00 Uhr entladen. Die Wilhelmsruher Rangierlok schafft alsdann die Wagen nach Berlin-Rosenthal, von wo sie zwischen 12:3O und 13:00 Uhr wiederum von der Lok des Bedarfszuges nach Berlin Tegel-Hafen geschafft werden. Dort werden sie sofort wieder beladen und gehen am gleichen Tage wieder aus. Es werden benötigt etwa 20 eigene Güterwagen nach dem oben vorgesehenen Plan ist es möglich, die Güterwagen täglich zu be- und entladen.“[3]

1946 war das Gleis noch vorhanden. In einen internen Vermerk der NEB vom 12. April 1948 wird der Anschluss für den Bunkerbau in Nordend als nicht mehr vorhanden aufgeführt.[4]

 Güterladestelle Nordend am 6. Februar 1946 mit dem Anschlussgleis für den Bunkerbau. Sammlung Lutz Schlüter.Güterladestelle Nordend am 6. Februar 1946 mit dem Anschlussgleis für den Bunkerbau. Sammlung Lutz Schlüter.

Für welche Bunker wurden im Nordend die Baustoffe umgeschlagen? Diese Antwort muss bis dato offen bleiben. Keine der bis jetzt bekannten Quellen gibt dazu Auskunft. Update: Dank eines Hinweises von User millimetermicha im Historischen Forum von Drehscheibe Online ist der betreffene Bunker mit sehr großer Sicherheit idenfiziert.[5] Es handelt sich um einen Hochbunker, der an der heutigen Wendeschleife der Straßenbahnlinie 50, Rosenthaler Weg Ecke Picardieweg, gebaut wurde. Das waren von der Güterladestelle rund 870 m Entfernung. Also ein relativ kurzer Weg von der Schiene zur Baustelle. Auf den sowjetischen Luftbildern von 1953 ist die Bunkerruine gut zu erkennen, siehe nachfolgende Fotos:

Luftbild von 1953. Der blaue Pfeil markiert die Güterladestelle Nordend, der rote Pfeil die noch vorhandene Bunkerruine. © Geoportal Berlin/Luftbilder 1953 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0Luftbild von 1953. Der blaue Pfeil markiert die Güterladestelle Nordend, der rote Pfeil die noch vorhandene Bunkerruine. © Geoportal Berlin/Luftbilder 1953 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0

Detailaufnahme von 1953 der Bunkerruine an der heutigen Wendeschleife der Tram 50. © Geoportal Berlin/Luftbilder 1953 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0Detailaufnahme von 1953 der Bunkerruine an der heutigen Wendeschleife der Tram 50. © Geoportal Berlin/Luftbilder 1953 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0

Die Ladestelle Nordend war wie Rosenthal Nord noch bis 1965 als Tarifpunkt für den Güterverkehr in Betrieb. Von der Ladestelle Nordend ist heute nichts mehr erkennbar. Auf dem Gelände befindet sich ein Gewerbe.

 

Woher stammt das Wissen?

 

 [1] Kuhlmann, Bernd: Aus Geschichte und Zukunft der Industriebahn, Verkehrsgeschichtliche Blätter 1/1978, Seite 8

[2]Schreiben der NEB an den Reichsbevollmächtigten für Bahnaufsicht vom 12.September 1941, Archiv NEB 1197

[3] Interner Vermerk der NEB vom 21. April 1942 – Archiv NEB 1197

[4] Archiv NEB 540

[5] Siehe folgenden Thread bei  DSO https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?017,11148232,11151028

 Veröffentlichung am 11.06.2025, Aktualisierung am 15.06.2025: Betreffender Bunker in Nordend ergänzt.